Mehr als 500 Briefe schmücken die Wände des Sitzungssaales im Kreishaus Gütersloh. Sie sind Teil des Projektes #MeineStimmewirdgehört und stammen von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern. Sie spiegeln ein aktuelles Stimmungsbild wider, das ganz klar sagt: Schule muss sich weiterentwickeln. Darin waren sich die rund 200 Besucherinnen und Besuchern – alles pädagogische Fachkräfte – der 6. Bildungskonferenz im Kreishaus Gütersloh einig.
Doch wie entwickelt sich das Lernen und Lehren? Was wünschen sich die Kinder und Jugendlichen für den Unterricht? Das hat die Filmcrew der Moritz-Fontaine Gesamtschule Rheda-Wiedenbrück Schülerinnen und Schüler von unterschiedlichen Schulen und aus verschiedenen Jahrgangsstufen gefragt. Mit ihren Stimmen im Videobeitrag startete die Bildungskonferenz. Auch in den Podiumsdiskussionen kamen Vertreter der Schülerschaft sowie Fachkräfte aus den Schulen zu Wort und schilderten ihre derzeitige Wahrnehmung und Wünsche für die Zukunft.
Die Digitalisierung hat den Unterricht insbesondere in den vergangenen Jahren verändert und den Weg für eine neue Lernkultur gezeigt. Dagegen stehen jedoch Lehrkräftemangel, volle Klassenzimmer sowie dringend benötigte Fördermittel. „Bildung ist eines der wichtigsten Schlüsselthemen und bräuchte gesamtstaatlich mehr Relevanz“, betonte Susanne Koch, Kreisdirektorin und Dezernentin für Bildung, Integration, Soziales und Jugend beim Kreis Gütersloh. Damit Schule sich entwickeln könne, brauche es Veränderungen – und das auf vielen Ebenen, stimmte Michael Uhlich, Abteilungsleiter Schule bei der Bezirksregierung Detmold zu.
Doch wie sieht die Schule von Morgen aus? Damit beschäftigte sich Prof. Dr. phil. Anne Sliwka von der Uni Heidelberg in ihrem Impulsvortrag und stellte den Teilnehmenden verschiedene Ansätze und Modelle vor. In den vergangenen 30 Jahren habe sich die Technik enorm weiterentwickelt – das Bildungssystem, das wir kennen, bestehe mehr oder weniger seit 100 Jahren. Kein Wunder also, dass das nicht mehr zusammenpasse. Neue Strategien für zeitgemäße Lernstrukturen müssen her.
Laut Sliwka verfolge Schule drei Zieldimensionen: Zuerst einmal der Erfolg. Kinder sollen in der Schule etwas lernen. Das ist klar. Doch Erfolg bedeute für jedes Kind etwas anderes. Was der eine schon kann, muss der andere sich vielleicht erst mühsam erarbeiten. Hier sei es zielführender, den Lernstand der Kinder nicht an einem Standard zu messen, sondern individuelle Fortschritte miteinzubeziehen. Die Leistungen werden mit den eigenen Vorleistungen verglichen – nicht mit den anderen.
Daran knüpft auch das nächste Ziel: Die Gerechtigkeit. Oft sei immer von Gleichbehandlung die Rede – doch damit alle Schülerinnen und Schüler ein definiertes Mindestlevel erreichen, seien passgenaue Förder- und Bildungsangebote nötig. Hier komme vor allem die digitale Diagnostik ins Spiel. Dieses Modell wird bereits in skandinavischen Ländern sowie in Kanada eingesetzt. Dabei wird der Lernstand der Kinder regelmäßig durch eine Software gescannt. Der Vorteil: Mit der digitalen Diagnostik können Förderbedarfe frühzeitig erkannt werden, lange bevor das schlechte Zeugnis komme. Eltern und Lehrkräfte gehen dabei eine sogenannte Bildungspartnerschaft ein und arbeiten gemeinsam im Team, um das Kind bestmöglich und vor allem frühzeitig zu fördern. Ein Verzicht auf Noten sei, insbesondere in den Grundschulen, ein Faktor, um den Leistungsdruck zu verringern.
Das dritte Ziel sei das Wohlbefinden beziehungsweise die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. Sliwka erklärte, dass bereits lange vor Corona Tendenzen der Unzufriedenheit und Ängste bei den Jugendlichen bemerkbar wurden. Die Wissenschaft vermute Social Media als möglichen Grund dafür. Die Kindheit sei heutzutage durch eine mediale Präsenz geprägt – das sei ein entscheidender Faktor, der die junge Generation von den vorherigen unterscheide. „Selbstregulation muss zur Bildung gehören“, schlussfolgerte Sliwka.
Erfolg, Gerechtigkeit, Wohlbefinden beziehungsweise Persönlichkeitsentwicklung für alle Kinder und Jugendlichen sei angesichts der aktuellen Herausforderungen jedoch nur in einer Ko-Konstruktion, also innerhalb einer Verantwortungsgemeinschaft aller Akteurinnen und Akteure – hierzu zählen selbstverständlich auch die Eltern – zu realisieren.
Vernetzung und ein reger Austausch werden auch in der pädagogischen Landschaft des Kreises Gütersloh gepflegt. Zu aktuellen Themen wie beispielswiese personalisiertes Lernen, alternative Prüfungsformate oder KI-Einsatz an Schulen konnten sich die Teilnehmenden in zehn Foren informieren, sich gegenseitig austauschen, Gedanken vertiefen und Impulse mitnehmen.
„Stabile Vernetzungsstrukturen sind nötig, um gemeinsam gute Bildung vor Ort zu gewährleisten und innovativ weiterzuentwickeln, um die Schule der Zukunft gestalten zu können“, fasst Dr. Norbert Kreutzmann, Leiter des Bildungsbüros des Kreises Gütersloh, zusammen. Er und sein Team koordinieren die regelmäßig stattfindenden Bildungskonferenzen.
(Text- und Bildquelle: Referat Presse – Kreis Gütersloh)