„Wind. Wohngebiete. Wachstum: Der Dreiklang für Nordrhein-Westfalen. Es gilt, im dichtbesiedelten Nordrhein-Westfalen einen Ausgleich und einen gesellschaftlichen Konsens zu schaffen: Zwischen den berechtigten Interessen der Wohnbevölkerung und dem erforderlichen Ausbau der Windenergie. Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wird ein Schutzabstand von 1.000 Metern für bestimmte Wohngebiete auf der einen Seite und eine Stärkung der kommunalen Planungshoheit auf der anderen Seite erreicht,“ sagt Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.
Kernstück der Neuregelung soll es sein, Windenergieanlagen im unbeplanten Außenbereich, die den Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohngebäuden in bestimmten Gebieten nicht einhalten, zu entprivilegieren.
Dies hat zur Folge, dass Windenergieanlagen, die in einem geringeren Abstand errichtet werden sollen – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in einem Bebauungsplan – nicht mehr als privilegierte Vorhaben nach § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB, sondern als sonstige Vorhaben nach § 35 Absatz 2 BauGB zu qualifizieren sind.
Den Gemeinden verbleibt weiterhin uneingeschränkt die Möglichkeit, durch eine entsprechende Bauleitplanung nach den allgemeinen Regelungen Baurechte für Windenergieanlagen ohne Konzentrationswirkung unabhängig von dem Schutzabstand, das heißt auch innerhalb des Abstands, zu schaffen.
Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen: „Mit der Regelung sorgen wir für Klarheit – sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Anlagenbetreiber. Mit einem Schutzabstand von 1.000 Metern wollen wir den Rahmen der Bundesgesetzgebung, die auf Initiative Nordrhein-Westfalens zustande gekommen ist, für unsere Bürgerinnen und Bürger in Anspruch nehmen. Darüber hinaus, wo eine Kommune dies wünscht und eine entsprechende Bauleitplanung trifft, bleibt der Ausbau der Windenergie bis zu den bisherigen Grenzen des Immissionsschutzrechts möglich. Anlagenbetreiber erhalten Rechtssicherheit durch eine Übergangsregelung. So entsteht Planungssicherheit für Wind und Raum für Wohnen.“
Vom Schutzbereich werden solche Gebiete erfasst, die regelmäßig im Zusammenhang mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung stehen:
Alle Wohngebäude in Gebieten mit Bebauungsplänen (§ 30 BauGB) sowie innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile (§ 34 BauGB) werden erfasst, in denen Wohngebäude nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) allgemein, das heißt nicht nur ausnahmsweise, zulässig sind. Hierdurch werden diese Wohngebäude einem verstärkten Schutz unterstellt. Im Außenbereich sind nur Wohngebäude im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Absatz 6 BauGB geschützt (Außenbereichssatzung). Die Einbeziehung von Wohngebäuden im Bereich von Außenbereichssatzungen nach § 35 Absatz 6 BauGB beruht zudem darauf, dass es sich hier um den geschützten Gebieten vergleichbare Flächen mit verstärkter Wohnbebauung handelt.
Nur ausnahmsweise zulässige Wohngebäude, zum Beispiel in Gewerbegebieten oder in Industriegebieten, sowie einzelne Gebäude mit Wohnnutzung im Außenbereich, die nicht im Gebiet einer Außenbereichssatzung liegen, werden vom Gesetz nicht erfasst. Grund dafür ist, dass Wohngebäude, die im jeweiligen Gebiet nur ausnahmsweise zulässig sind, und Außenbereichsvorhaben nach der Intention des Bundesgesetzgebers weniger schutzwürdig und -bedürftig sind.
Bestehende Flächennutzungspläne:
Der Gesetzentwurf normiert die Voraussetzungen, unter denen eine im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits bestehende Flächennutzungsplanung mit den Wirkungen des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB von der 1.000-Meter-Regelung unberührt bleibt (Bestandsschutz).
Künftige Bauleitpläne:
Der Gesetzentwurf entfaltet hingegen keine Wirkungen für zukünftige Flächennutzungs- und Bebauungspläne ohne Konzentrationswirkung: Städte und Gemeinden können im Wege der Bauleitplanung Baurecht für Windenergieanlagen schaffen, ohne bei der Aufstellung entsprechender Flächennutzungs- und Bebauungspläne an die 1.000-Meter-Regelung gebunden zu sein, da der Gesetzentwurf nur die Frage der Privilegierung von Windenergieanlagen im unbeplanten Außenbereich zum Gegenstand hat.
Repowering-Bauleitpläne:
Die Bauleitplanung kann auch als Instrument für das sogenannte Repowering von Windenergieanlagen in Betracht kommen. Dies meint den Ersatz einer oder mehrerer alter Windenergieanlagen nach Ablauf deren Nutzungsdauer durch eine neue, moderne, regelmäßig deutlich höhere und leistungsstärkere Windenergieanlage, auch an einem anderen Standort (auch in diesen Fällen kommt nämlich regelmäßig die 1.000-Meter-Regelung zur Anwendung).
Das Thema Repowering wird zunehmend virulent, da für Windenergieanlagen kontinuierlich die erstmals ab dem Jahr 2000 einsetzende, 20-jährige Förderungsdauer nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) endet.
Da viele der bestehenden Anlagen die 1.000-Meter-Regelung nicht einhalten würden und damit das – auch höhengleiche und standortidentische – Repowering unzulässig wäre, kann dem Instrument der Bauleitplanung auch insoweit eine sehr wichtige Rolle zukommen. Ein „Repowering-Bebauungsplan“ kann festsetzen, dass neue Windenergieanlagen nur zulässig sind, wenn sichergestellt ist, dass mit deren Errichtung andere im Bebauungsplan bezeichnete Windenergieanlagen – die auch außerhalb des Plan- oder Gemeindegebiets liegen können – innerhalb angemessener Frist zurückgebaut werden (§ 249 Absatz 2 Satz 1 und 2 BauGB).
Es ist insofern auch die Festsetzungsoption denkbar, dass für eine neue (repowerte) Windenergieanlage der Rückbau von mehreren bestehenden, festgesetzten Windenergieanlagen im Gemeindegebiet im Bebauungsplan verbindlich festgeschrieben werden kann. Es kann dann beispielsweise ermöglicht und sichergestellt werden, dass drei ältere, niedrigere und leistungsschwächere Windenergieanlagen (zum Beispiel mit 1 MW Nennleistung) durch eine moderne, leistungsstarke und höhere Windenergieanlage (zum Beispiel mit 4 MW bis 5 MW Nennleistung) ersetzt werden (= „Eins für drei“: In der Regel sind die modernen Windenergieanlagen dann auch leiser als die Alt-Anlagen – auch dies kann gegebenenfalls verbindlich vorgegeben werden). Dadurch könnte für geeignete Fälle die Bereitschaft für „Repowering-Bebauungspläne“ beziehungsweise die Akzeptanz (deutlich) erhöht werden. Für die verbleibenden Flächen im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans – abseits der Flächen für Windenergievorhaben – können Vorgaben gemacht werden, zum Beispiel Festsetzung von Flächen, die von Bebauung freizuhalten sind oder Flächen für die Landwirtschaft und Wald.
Hintergrund
Nordrhein-Westfalen belegte beim Ausbau der Windenergie im vergangenen Jahr den Spitzenplatz: In keinem anderen Bundesland wurden 2020 an Land nach vorläufigen Zahlen der Fachagentur Windenergie so viele Windenergieanlagen errichtet wie in Nordrhein-Westfalen: Zwischen Januar und Dezember 2020 (Stand: 21. Dezember 2020) wurden hier deutschlandweit die meisten Windenergieanlagen mit einer Leistung von rund 285 Megawatt in Betrieb genommen. Deutschlandweit belief sich der Ausbau auf 1.295 Megawatt.
In Nordrhein-Westfalen sind 3.708 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 5.937 Megawatt installiert (Stand: Ende 2019). Unter Heranziehung der Zahlen der Fachagentur Wind lag die durchschnittliche installierte Anlagenleistung in 2018 bei 3 MW und 2019 bei 4 MW in Nordrhein-Westfalen. Die Windenergieanlagen sind in Nordrhein-Westfalen wie folgt verteilt:
- Plangebiet der Regionalplanungsbehörde Detmold: 1.005 WEA (Anteil 27,1 % am Gesamtanlagenbestand)
- Plangebiet der Regionalplanungsbehörde Münster: 951 (Anteil 25,6 %)
- Plangebiet der Regionalplanungsbehörde Köln: 656 (Anteil 17,7 %)
- Plangebiet der Regionalplanungsbehörde Arnsberg: 523 (Anteil 14,1 %)
- Plangebiet der Regionalplanungsbehörde Düsseldorf: 324 (Anteil 8,7 %)
- Plangebiet der Regionalplanungsbehörde beim Regionalverband Ruhr: 249 (Anteil 6,7 %)
(Text- und Bildquelle: Land NRW)