
Zwischen Ländern, Kulturen, Lebenswegen und Lernprozessen – Thomas Peine und sein transatlantisches Leben zwischen Dienstmarke und Heimatgefühle Von einem, der auszog, das Leben neu zu lernen. Es gibt diese Abende, an denen Literatur mehr ist als Worte zwischen zwei Buchdeckeln. An denen Erzählung zur Begegnung wird – zwischen Leben, Verlust, Mut und Erkenntnis. Einer dieser Abende war zweifellos die Buchvorstellung von Thomas Peine am Freitag im Kulturort Wilhalm in Harsewinkel. Eingeladen hatten die Mitglieder der Tiertafel und des Tiertafel-Cafe Harsewinkel.
In angenehm zurückhaltender Atmosphäre, fast wie unter Freunden, stellte der gebürtige Gütersloher sein literarisches Debüt „Deputy While Immigrant“ vor – ein autobiografisches Werk, das nicht nur erzählt, sondern hinterfragt, erklärt und einordnet. Dabei wurde schnell deutlich das seine Lebensgeschichte mehr ist als eine klassische Auswanderergeschichte war. Bei seinem Besuch in Harsewinkel erzählte Peine von seinen Erfahrungen als Polizeibeamter in einer Landschaft, die einst Wyatt Earp durchstreifte, sondern offenbarte auch die Vielschichtigkeit der Einsätze und der alltäglich geforderten Pflicht, Tapferkeit, Respekt, menschlicher Verbundenheit gepaart mit ostwestfälischer Nüchternheit. Von Freunden und Familie animiert, entschloss er sich 2021 schließlich aus seinem Leben und den amerikanischen Polizeialltag zu erzählen. Auf 297 Seiten verfasste er die Autobiografie „Deputy While Immigrant“, in dem er nicht nur über seine Einsätze schrieb sondern auch über Polizeikultur, kulturelle Missverständnisse und persönliche Lernkurven ohne zu beschönigen. Das Buch wurde bereits für seine außergewöhnliche Erzählkunst und seine tiefgründigen Einsichten mit dem Firebird Book Award und dem Literary Titan Award ausgezeichnet.
Persönlich, direkt, nachdenklich und mit einer wohltuenden Prise ostwestfälischer Nüchternheit berichtete der Autor von einer Reise, die mit einer Liebesgeschichte begann und in einer amerikanischen Polizeiuniform endete. Geboren und aufgewachsen in Gütersloh, schlug Thomas Peine zunächst einen klassischen Weg ein: Nach seiner Ausbildung zum Sparkassenkaufmann war er deutschlandweit in der Finanzbranche tätig. In Nürnberg lernte er seine zweite Frau, eine US-amerikanische Staatsbürgerin kennen und zog mit ihr 2001 nach Massachusetts in die Vereinigten Staaten. Vier Jahre später, mittlerweile in Tucson (Arizona) lebend, entdeckte Peine in einer Tageszeitung die Stellenanzeige des örtlichen Pima County Sheriffs. Er bewarb sich, anfänglich zum Entsetzen seiner Frau. „Kauf dir doch lieber eine Harley Davidson und cruise durch die Wüste, statt dich mit 40 noch bei der Polizei zu bewerben“, habe sie ihm damals geraten. Doch Peine blieb unbeirrbar. Was folgte, war keine Heldenreise à la Hollywood, sondern ein leiser, intensiver, oft auch steiniger Weg, geprägt von Pflichtgefühl, Anpassungswillen und einer immer wieder aufflammenden Frage: Wie findet man als europäischer Immigrant seinen Platz in einem System, das selbst für Einheimische schwer durchschaubar ist?
Seine berufliche Reise zum Sheriff’ Deputy in Arizona erschien auf den ersten Blick nahezu filmreif, doch seine nüchterne, reflektierte Erzählweise machte schnell klar, dass der europäische Immigrant keine Helden-Story zu präsentieren hatte, sondern es eine biografische Erzählung eines Mannes war, der sich mit Offenheit, Pflichtgefühl, dem unbeugsamen Willen nach kultureller Anpassung, dem Streben nach Gerechtigkeit und der Bereitschaft, sich selbst immer wieder zu hinterfragen, einen seltenen, tiefen Einblick in das komplexe amerikanische System der Behördenstrukturen, Rechtssystem und Strafverfolgung gewährte.
In seinem Buch – und auch an diesem Abend – erzählte er von seinen Einsätzen im Grenzbereich zwischen Ordnung und Chaos und die weite Verbreitung von Schusswaffen in der Zivilbevölkerung, sowohl legal als auch illegal. „Man muss als Polizist in den USA jederzeit damit rechnen, mit einer Schusswaffe bedroht zu werden“, erklärte Peine eine seiner bitteren Alltagserfahrungen. Anders als in Deutschland, wo das Gewaltpotenzial bei Einsätzen oft kalkulierbar sei, herrsche in Teilen der USA eine latente Gefährdung, die jede Verkehrskontrolle, jede häusliche Streitigkeit oder harmlose Personenüberprüfung zur potenziell tödlichen Konfrontation werden lasse, so Peine. Sein Buch„Deputy While Immigrant“ ist weit mehr als eine Ansammlung von Polizeigeschichten. Es ist die Biografie eines Mannes, der sich entschied, sich in einem fremden Land einer fremden Berufung zu stellen – mit Neugier, Disziplin und der Bereitschaft, auch sich selbst infrage zu stellen. Peine berichtete vom seinem Leben auf Streife, von der Arbeit als Detektiv und seiner Zeit als offizieller Sprecher der Behörde. Zwischen adrenalingeladenen Situationen und komplexer Ermittlungsarbeit gewährt er einen ungefilterten Blick auf das amerikanische Strafverfolgungssystem, Wissenswertem zur vielfältigen Polizeikultur aber auch kulturellen Missverständnissen und inneren Widersprüchen.
Seine zehnjährige Karriere im Pima County Sheriff’s Department bildete dabei das Rückgrat des Buches. Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Polizeidienst zog das Paar nach Oregon, kehrte 2015 vorübergehend nach Deutschland zurück, wo Peine in der strategischen Öffentlichkeitsarbeit für die US-Armee in Ramstein tätig war. Seit 2020 lebt er wieder mit seiner Frau in Massachusetts.
(Text- und Bildquelle: Gabriele Grund)